Morgenroutine: Der Spagat zwischen Autonomie und Bindung

Der Morgen kann in Familien mit kleinen Kindern zur echten Herausforderung werden. Gerade im Alter von vier bis fünf Jahren (so habe ich es zumindest bei meiner Tochter erlebt) stehen Kinder mitten im Spagat zwischen „Ich kann das alleine!“ und „Bitte hilf mir!“. Das führt oft zu Diskussionen: Wer hilft beim Anziehen? Was darf das Kind selbst machen? Und manchmal kippt die Stimmung bevor wir überhaupt richtig wach sind.

Das Entwicklungsfenster mit 4–5 Jahren

In diesem Alter wollen Kinder zunehmend selber machen und damit Autonomie erleben, gleichzeitig aber auch spüren, dass sie begleitet werden. Psychologisch betrachtet sind zwei Grundbedürfnisse im Spiel:

  • Autonomie – Kinder möchten selbst bestimmen, sich ausprobieren, Unabhängigkeit erleben.

  • Bindung – Sie suchen nach Nähe, Bestätigung und wollen sicher sein „Du bist da, wenn ich dich brauche.“

Wenn diese beiden Pole aufeinanderprallen, entstehen die bekannten „Diskussionen am Morgen“.

Unser Lösungsansatz: Struktur mit Wahlfreiheit

Um diese zwei widersprüchlichen Bedürfnisse zu erfüllen, habe ich einen Morgenplan entwickelt, der diese optimal verbindet:

  • Orientierung – mein Kind weiß genau, welche Schritte es braucht (z. B. Anziehen, Zähneputzen, Kuscheln etc.).

  • Mitbestimmung – bei jedem Schritt durfte meine Tochter selbst entscheiden:

    • „Mache ich das alleine?“

    • „Soll Mama oder Papa helfen?“ - dafür hat sie Herzen-Post-Its angebracht

Das Entscheidende: Sie hatte Einfluss, aber nicht über was zu tun ist, sondern über die Art der Umsetzung.

Visualisierung & Motivation

Damit es für sie greifbarer wurde, haben wir den Plan mit Bildern gestaltet und Wäscheklammern angebracht. Nach jedem erledigten Schritt konnte sie eine Wäscheklammer anbringen.

Das klingt simpel, hat aber eine große Wirkung:

  • Kinder sehen, was geschafft ist, das gibt Orientierung.

  • Sie erleben Autonomie („Ich kann das selber machen“).

Warum kann ein Plan ein Gamechanger sein

  • Klare Struktur nimmt Stress aus dem Morgen.

  • Selbstbestimmung im Kleinen bewahrt die Autonomie des Kindes.

Das ist nicht nur praktisch, sondern entspricht auch den Erkenntnissen der bindungs- und bedürfnisorientierten Pädagogik: Kinder kooperieren leichter, wenn sie Orientierung UND Entscheidungsspielräume erleben. Die Balance zu finden kann manchmal echt eine Herausforderung sein.

Übrigens sind Autonomie und Orientierung wichtige Bedürfnisse in der 1. Autonomiephase (2-5 Jahre) in der LilaLiebe® nach Kathy Weber.

Fazit

Seit wir diesen Plan nutzen, sind unsere Morgen deutlich entspannter. Meine Tochter fühlt sich ernst genommen, weil sie mitentscheiden darf. Gleichzeitig weiß sie genau, was zu tun ist, ohne dass ich jedes Detail ansagen muss.

Mein Impuls für dich:
Wenn du ähnliche Kämpfe am Morgen kennst, probiere es aus:

  • Gestalte mit deinem Kind einen Plan mit Bildern.

  • Halte den Ablauf gleich, aber gib Wahlmöglichkeiten bei der Umsetzung.

  • Nutze kleine „Abhak-Hilfen“ wie Wäscheklammern oder Magnete.

So entsteht ein Morgen, in dem Orientierung und Selbstbestimmung Hand in Hand gehen – und ihr als Familie gelassener in den Tag startet.

Geheimtipp: Orientierung und Autonomie helfen auch bei der Abendroutine. Wir drehen das Plakat einfach um und haben dort die wichtigsten Schritte am Abend. Viel Spass beim Basteln.